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Text File  |  1996-06-17  |  22KB  |  341 lines

  1. #Titel Forum / Messenachlese / Gütersloh '96
  2. #Logo gadget25:Pinsel/AG.Forum
  3. #Font Losse 16
  4. #C31
  5.       Manchmal kommen sie wieder:
  6.       Messenachlese Gütersloh '96
  7. #Font topaz 8
  8. #C21
  9.  
  10. Ein kleiner Haufen (zumeist männlicher) Sektierer rottete sich am 20. und
  11. 21.April zusammen. Nein, die Rede ist nicht von Skinheads, die Führers
  12. Geburtstag und ihre eigene Verblendetheit zelebrierten. Am dem durchaus
  13. etwas eigenartigen Termin fand vielmehr das diesjährige Gütersloher
  14. Computer-Treffen stand. Für die, die diese Einrichtung noch nicht kennen:
  15. sie wird veranstaltet von einem Gütersloher Computer-Club und einigen Freaks
  16. mit privatem Engagement (u.a. Andreas Mauß), fand vor zwei Jahren zum
  17. ersten Mal statt und dient in erster Linie dem Erfahrungsaustausch und der
  18. Kontaktpflege. Wie das alles in diesem Jahr aussah, soll Thema der
  19. nachfolgenden Zeilen sein. Noch ist Zeit, das "nächsten Text"-Gadget zu
  20. drücken.
  21.  
  22. Argh. Es ist Samstag und früh am Morgen. Aber da die Deutsche Bahn AG ihre
  23. Fahrpläne umgestellt hat und die schnellste (wochenendticketkompatible)
  24. Verbindung nach Gütersloh in diesem Jahr 5:30h statt nur 4:30h dauert,
  25. bleibt mir nichts anderes übrig, als meinen Erholungsschlaf auf dem Altar
  26. des Computerhobbies zu opfern. Einmal Mitleid bitte. Danke. Um 10:16 Uhr
  27. geht die Fahrt in Cölbe los - im Gepäck ein wenig Wegzehrung, ein paar
  28. Disketten, sowie eine Textsammlung Marx'scher Schriften und ein Strafrecht-
  29. Lehrbuch. In den beiden letztgenannten schmökere ich dann auf der durchaus
  30. erträglichen Fahrt, die mich über Gießen, Siegen, Hagen und Hamm schließlich
  31. nach Gütersloh führt. Gebracht hat's aber nichts: die nachfolgende
  32. Strafrecht-Klausur habe ich hoffnungslos in den Sand gesetzt und Kommunist
  33. bin auch nicht geworden. Aber immerhin stehe ich nun um ziemlich genau
  34. 16:00 Uhr (der letzte Zug hatte 15 Minuten Verspätung) in Gütersloh.
  35.  
  36. Dank meiner Erfahrungen aus dem Vorjahr ist es mir nun ein leichtes, den
  37. Veranstaltungsort, die "Alte Weberei", zu erreichen. Wie schon im Vorjahr
  38. kommt man nur gegen Zahlung einer schmerzhaften Unkostenbeteiligung in Höhe
  39. von 5 DM (plus 2 DM für freien Kaffeekonsum) an der bedrohlich den
  40. Kassierbeutel schwingenden Frau Händel vorbei. Und ebenfalls wie im letzten
  41. Jahr (Die ständigen Wiederholungen lassen zwar den Schluß zu, das "Gadget"
  42. sei nun endgültig unter die "öffentlich-rechtlichen" gegangen - dem ist aber
  43. nicht so. Das Wetter.) ist das erste bekannte Gesicht, das ich entdecke, das
  44. von Gerd "FlipFlop" Frank. Mit einer schnellen Bewegung versperre ich ihm
  45. den Fluchtweg. Er hat in diesem Jahr eine Auswahl seines "Ultramax"-Versand-
  46. sortimentes mitgebracht - neben ein paar gebrauchten Spielen zahlreiche
  47. neue und ältere CD-ROMs - und versucht verzweifelt und augenscheinlich
  48. erfolglos, sie unter die Leute zu bringen. Sein gesunkenes Selbstwertgefühl
  49. schamlos ausnutzend, gelingt es mir, ihm die Erlaubnis zum Abstellen meiner
  50. Tasche hinter seinem Verkaufstisch abzuluchsen. Dann lasse ich ihn alleine
  51. bei seinen ungezählten und vor allem unverkauften CDs und schaue mich weiter
  52. im Saal um.
  53.  
  54. An der Fensterfront neben Gerds Stand haben drei weitere Händler ihre
  55. Waren ausgebreitet - ebenfalls in erster Linie CD-ROMs, aber auch Spiele für
  56. den PC. Und am Kopfende hat der ortsansässige Computerclub zahlreiche
  57. Broschüren und Informationsmaterialien ausgelegt. Besonders gut gefällt mir
  58. das augenscheinlich selbstgedruckte "Amiga A4000/60 Cyber-Tower-Micronik"-
  59. Flugblatt. Ein Auszug:
  60.  
  61. #C10
  62. "Zur Zeit der schnellste 4000T der Welt. 100mal schneller als ein normaler
  63.  A500. Für den Anwender bedeutet dies, daß ein Raytracing-Bild das
  64.  normalerweise eine Stunde zur Berechnung verschlingt, in 10 bis 15 Minuten
  65.  auf dem Bildschirm erscheint."
  66.  
  67. #C21
  68. Wenn 1h geteilt durch 100 statt weniger Sekunden 10-15 Minuten ergibt, stand
  69. da wohl eher ein Pentium Pate...
  70.  
  71. Doch es gibt nicht nur Hard- und Papierware zu sehen. Unter anderem stehen
  72. auch mehr oder weniger alte Bekannte wie Sven "Ja, die Power-Brei (man
  73. beachte den Bindestrich) ist demnächst fertig." Drieling, Rainer "Murphy"
  74. Gellrich, Karl-Heinz "HAM" Bader, Dirk "Kenne hier ja niemanden." Jansen,
  75. Jürgen "Invisible Power" Träger und natürlich Bernd "Diesel" Künnen und
  76. Peter Händel in der Gegend herum. Letzterer hat gerade in bester
  77. Schumi-Manier ein über Nullmodem ausgetragenes und per Schmierzettel
  78. datentechnisch verwaltetes virtuelles Autorennen gewonnen und ist
  79. dementsprechend gut gelaunt. Das trifft auf Gerd Frank nicht zu, der sich
  80. vor lauter Frust über ausbleibende Kundschaft mit ein paar Bekannten (u.a.
  81. "Mega/Fish"/"Mega/Note"-Programmierer Thomas Omilian) auf den Parkplatz vor
  82. der Weberei zurückgezogen hat und dort ein altes bayerisches Ritual
  83. vollzieht, das u.a. die Vernichtung von Hopfen- und Malzprodukten vorsieht.
  84.  
  85. Mit dem Vorrücken der Uhrzeiger auf 18:00 Uhr bauen auch die anderen Händler
  86. langsam ihre Stände ab. Die mutigeren lassen die Ware herumliegen, die
  87. anderen packen sie für die Nacht ein. Die privaten Treff-Besucher amüsieren
  88. sich derweil mit anderen Dingen. Großer Renner bei den PC-Usern ist
  89. die in schlächtester "Doom"-Tradition stehende Ballerorgie "Duke Nukem",
  90. in der viel Blut fließt, Kloschüsseln in die Luft gesprengt werden,
  91. Einrichtungsgegenstände zerballert, Häuserblocks in die Luft gesprengt,
  92. Animierdamen zum Ablegen ihrer Oberbekleidung gebracht und exzellente,
  93. detailreiche und schnell scrollende Grafiken bewundert werden können. Das
  94. ganze ist auch über Nullmodem spielbar und deshalb für Freunde von
  95. Ballerorgien augenscheinlich ein Mords-Spaß. Da Amiga-User bei einem
  96. derartigem Anblick bekanntermaßen Minderwertigkeitskomplexe bekommen,
  97. ist Murphy auch schon dabei, die neueste Demoversion von "Nemac 4" - quasi
  98. als Gegenmittel zum "Duke" - auf seine Festplatte zu entpacken. Das Spiel
  99. selbst ist ebenfalls ein Dungeon-Ballerspiel, für Amigaverhältnisse sogar
  100. recht schnell und erfreulicherweise unblutig ! Erreicht wird das durch den
  101. guten Einfall, nicht Lebewesen sondern Roboter gegeneinander antreten zu
  102. lassen. Da somit das Waten im Blut der Opfer, Genickschüsse, martialische
  103. Amokläufertaten und ähnliche Dinge fehlen, dürfte es sich bei "Nemac 4" um
  104. das erste halbwegs akzeptable Spiel dieser "Doom"anie handeln. Allerdings
  105. dürfte es damit für die Anhänger des "Wolfenstein"-Nachfolgers und dessen
  106. Clone uninteressant sein. So ist wohl das Leben und Sterben im blutigen
  107. Dschungel der Shoot'em'up-Software.
  108.  
  109. Weitaus zivilisierter geht es beim (fast) gleichnamigen Spiel zu. Auf
  110. einigen PCs läuft nämlich der Nachfolger von Sid Meiers Geniestreich
  111. "Civilization", der nun nicht nur eine "II" nach dem Namen trägt sondern
  112. auch eine recht ansehnliche Grafik verpaßt bekommen hat: die Landschaft
  113. erscheint nun dreidimensional und die Zwischenanimationen sind größtenteils
  114. digitalisiert. Bleibt nur zu hoffen, daß sich jemand bei Microprose zu einer
  115. Amiga-Umsetzung erbarmt. Die Chancen dürften allerdings nicht allzu gut
  116. stehen, ist doch von einer Konvertierung der ebenfalls hier in Gütersloh
  117. herumfliegenden Internet-Version von "Civilization" auch noch nicht viel
  118. auf dem Amiga-Markt zu sehen. Die gute Nachricht ist, daß es andererseits
  119. auch für den Amiga Spiele gibt, die wohl kaum jemals auf dem PC zu sehen
  120. sein werden. Kalle Bader zeigt mir - nachdem wir uns einige Zeit auf
  121. wissenschaftlichem Niveau über AMOS unterhalten haben (Ich: "AMOS ist
  122. Sch#?ße." Kalle: "AMOS ist gut und einfach." Ich: "AMOS ist Sch#?ße." Kalle:
  123. "AMOS ist gut und einfach." Ich:....) - das auf der HAM-Extra#6 erschienene
  124. Spiel "AIDS Eliminator" von Eric Novak. Ziel des "den AIDS-Opfern dieser
  125. Welt" gewidmeten Spiels ist es, einen auf Skiern fahrenden Penis (komplett
  126. mit den zwei dazugehörigen...) an über den Bildschirm fliegenden AIDS-Viren
  127. vorbei zu einem Kondom zu führen. Kalle - übrigens jüngster Großvater
  128. Hannovers (wie eine Tageszeitung der niedersächsischen Hauptstadt mehr oder
  129. weniger überzeugend bewies) - ist begeistert.
  130.  
  131. Begeistert ist auch Sven Drieling, der unterdessen mit einem seiner
  132. Bekannten (wenn mich nicht alles täuscht, müßte es sich um Ingo Jürgensmann
  133. gehandelt haben) seinem Lieblingshobby nachgeht und sich durch irgendwelche
  134. Datenmengen aus der DFÜ arbeitet. Allerdings weniger von der virtuellen
  135. Phallusbeschäftigung sondern von dem Gedanken, dem Knurren des Magens durch
  136. ambulante Nahrungsaufnahme abzuhelfen. Da in der Zwischenzeit schon viele
  137. der "Samstagsbesucher" - wie Kalle Bader und Dirk Jansen - gegangen sind,
  138. marschiere ich gemeinsam mit Sven, Murphy und Ingo (?) los. Wir machen uns
  139. auf die Suche nach einer Lokalität, die unseren gehobenen Ansprüchen
  140. Rechnung zu tragen in der Lage ist. Fast eine Stunde und unzählige
  141. Seitengassen, Querstrassen und Fußgängerzonen später finden wir schließlich
  142. eine Filliale der angesehenen "Kochlöffel"-Kette. Da der Laden noch nicht
  143. ganz auf McDonalds-Niveau ist, stehen der sofortigen Nahrungsaufnahme auch
  144. keine ideologischen Gründe entgegen (wie schon Brecht erkannte, geht das
  145. Fressen der Moral eben nunmal vor). Bei Hamburger (ein Cheeseburger hätte
  146. erst aufgetaut, angemalt und zusammengeleimt werden müssen - das haben wir
  147. uns dann doch gespart) und Fritten erörtern wir die Lage der Nation und die
  148. Probleme der Welt. Über das Emsland, Murphys Heimat, und andere Verbrechen
  149. der Natur gegen die Menschheit ziehen wir natürlich auch noch her.
  150. Ärgerlicherweise bemerke ich zu spät, daß ich vergessen habe, mir eines
  151. dieser kleinen Holzgäbelchen zu greifen. Aber so lerne ich immerhin eines:
  152. Ketchup klebt an den Fingern.
  153.  
  154. Bevor diese Schilderung beim werten Leser allzu starke Ekelgefühle
  155. hervorruft, machen wir uns wieder auf den Rückweg - den wir wider Erwarten
  156. problemlos und schnell zurücklegen. In der Weberei ist es inzwischen
  157. ziemlich leer geworden. An einigen PCs wird gedaddelt. Jemand spielt ein
  158. wenig mit dem Shapeshifter herum. Nicht viel los. Ich setze mich an einen
  159. freien Amiga und mache mich, begleitet von erschreckten "Oh mein Gott, so
  160. kann man doch mit HTML nicht arbeiten !"-Rufen aus Sven Drielings Mund,
  161. daran, ein paar "Gadget"-Texte für die Web-Seiten aufzubereiten. Nachdem
  162. sich schon beim zweiten die Diskette mit einem Schreib-Lese-Fehler
  163. verabschiedet, gebe ich das ganze auf. Aber anstatt mich frustriert aus dem
  164. Fenster zu stürzen, auch wenn das viele sicher gerne sehen würden, wende ich
  165. mich dem PC zu, der etwas abseits des ganzen Geschehens steht. Die
  166. Besonderheit dieses Rechners ist der Internet- und damit auch WWW-Zugang, der
  167. dank der praktisch unmittelbaren Nähe eines entsprechenden Providers darüber
  168. hinaus ziemlich fix ist. Doch ich habe kaum "Infoseek" auf die Suche nach
  169. Informationen zum Aufbau des "Acrobat"-Formats geschickt, da muß ich auch
  170. schon das globale Dorf verlassen. Es naht nämlich Klaus Fischer (nein, nicht
  171. der Fußballspieler), der der Meinung ist, mit dem sinnlosen Web-Surfen müsse
  172. Schluß sein, zumal er etwas wirklich wichtiges vorhabe. Das sehe ich
  173. natürlich ein und lasse ihn an den Rechner. Klaus ist glücklich und
  174. verbringt den Rest der Nacht damit, via IRC zu "chatten".
  175.  
  176. Mein nächstes Opfer ist schließlich Peters PC, an dem ich ein paar Runden
  177. Pinball flippere. Die Informationstechnologie ist wahrhaft ein Segen für
  178. die Menschheit. Da mir trotz schnell fliegender virtueller Bälle, blinkender
  179. Lichter und knackender Soundeffekte langsam die Augenlider schwer werden,
  180. erhöhe ich nun die Kaffeemaschinenbenutzungsfrequenz drastisch. Das zeigt
  181. auch bald Wirkung. Nachdem ich so die Blutkonzentration in meinem Koffeein
  182. erfolgreich gesenkt habe, drehe ich noch ein paar Runden um die nun schon
  183. recht verwaisten Rechnertische. Voller Sehnsucht - manche würden es
  184. weitaus profaner aber zutreffender Sozialneid nennen - gleitet mein Blick
  185. über den einzigen vorhanden Draco. Dann sehe ich den in Dracos Nähe
  186. sitzenden und nach wie vor in den Untiefen der Newsgroup-Welt versunkenen
  187. Sven und Ingo (?) über die Schulter und unterhalte mich ein wenig mit allen
  188. möglichen über alles mögliche. Plötzlich winkt mich einer der mir
  189. unbekannten PC-User zu sich. Er hätte sich vor ein paar Stunden ein Programm
  190. namens "UAE" aus dem Netz gezogen, wolle es nun installieren und bräuchte
  191. dazu eventüll meine Hilfe. Bei diesem Kürzel handelt es sich nämlich
  192. mitnichten um das typische Geräusch, das ein Kneipenbesucher nach dem Konsum
  193. von zu viel Alkohol von sich gibt, sondern um die Abkürzung des
  194. Programmnamens "Unix Amiga Emulator" (wobei es sich bei der hier in Rede
  195. stehenden Version um den DOS-Port handelt). Wir sind uns beide ziemlich
  196. sicher, daß es sich letztlich nur um eine Variante des altbekannten
  197. Scherzprogrammes handelt, das eine Kick 1.2-Hand auf den Bildschirm zaubert,
  198. die nach einer Bootdiskette zu verlangen vorgibt. Für den Fall, daß aber
  199. möglicherweise doch etwas mehr dahintersteckt, will der PC-Mensch jemanden
  200. an der Hand haben, der sich zumindest ein wenig mit dem Amiga auskennt. Nach
  201. kurzem Studium der Anleitung (Frevel !) haben wir zumindest einen groben
  202. Überblick. Wir besorgen uns von einem der herumstehenden Amigas ein
  203. Kickstart-File und ziehen bei der Gelegenheit auch mittels des beim "UAE"
  204. mitgelieferten Hilfsprogrammes "Transdisk" ein paar Diskettenabbilder, u.a.
  205. vom "AmigaGadget" 24. Nachdem wir die Datenmengen auf die Festplatte des
  206. PClers geknallt haben, starten wir vorschriftsgemäß den Emulator. Zunächst
  207. allerdings geben wir nur den Namen des ROM-Files an. Und siehe da: es
  208. erscheint tatsächlich die Kickstart-Aufforderung, eine Bootdiskette
  209. einzulegen. Das ist schon einmal sehr beeindruckend, aber noch dadurch zu
  210. erklären, daß das Programm das ROM-File nach der Versionsnummer untersucht
  211. und ein entsprechendes Bild ausgibt. Noch besteht kein Grund zur
  212. Beunruhigung. In der Zwischenzeit hat sich auch Murphy zu uns gesellt. Sind
  213. wir Zeugen, wie der Amiga seiner Unemulierbarkeit beraubt wird ? Das wäre ja
  214. beinahe so, als müsse Eintracht Frankfurt in die zweite Bundesliga
  215. absteigen (hahahahaha !). Nach einem Neustart des Rechners (der überflüssig
  216. war, was wir aber erst später merken) rufen wir den Emulator diesmal mit
  217. dem ROM-File und dem Namen des "Gadget"-Diskettenabbildes als Bootdiskette
  218. auf. Als kurze Zeit später Holgis Bootblock eingefadet wird, wissen wir,
  219. daß wir verloren haben. Nachdem die Entsetzensschreie verklungen sind und
  220. der "UAE" brav die Workbench mit allen dazugehörigen Icons anzeigt,
  221. doppelklicken wir das "Gadget"-Diskicon und starten das Magazin. "GaMa" hat
  222. jedoch etwas gegen die neue Umgebung und bricht mit einer Fehlermeldung
  223. ab. Immerhin: wenigstens das "Gadget" ist unemulierbar... (Das
  224. Installationsprogramm lief im übrigen einwandfrei.) Nun gibt es kein Halten
  225. mehr. Alle anwesenden Amiga-User (und viele der PCler) versammeln sich um
  226. den Rechner und bringen die verschiedensten Diskettenabbilder zum Austesten.
  227. Nachdem sogar Actionspiele (inkl. Copperlisteneffekte) laufen, ist
  228. geklärt, daß der "UAE" kein Gagprogramm ist...
  229.  
  230. Noch ein paar Worte zur Funktionsweise des DOS-Ports: wie schon erwähnt,
  231. arbeitet der Emulator mit Diskettenabbildern. Da er natürlich nicht
  232. alle im aktuellen Verzeichnis liegenden Abbilder verwenden kann, muß man
  233. bis zu vier Diskettenabbilder anmelden. Diese werden dann wie in
  234. angeschlossenen Disklaufwerken liegende Disketten behandelt. Reicht einem
  235. die so zugängliche Datenmenge nicht aus, kann man sich auch noch eine eigene
  236. Festplattenkapazität schaffen. Dies geschieht von MS-DOS aus und unterliegt
  237. praktisch keinen Beschränkungen mehr (früher waren wohl mal 8 MByte die
  238. Obergrenze). Das MS-DOS-Programm legt hierfür eine Datei an, in der die
  239. Daten, die man unter der Emulation auf der "Festplatte" speichert, abgelegt
  240. werden. Es ist jedoch in der von uns installierten Version 0.5.2 nicht
  241. möglich, den Emulator von der "Festplatte" booten zu lassen. Dazu benötigt
  242. man wie in besten Kickstart 1.2-Tagen eine Bootdiskette, sprich: deren
  243. Abbild. Hinsichtlich der Grafikdarstellung machen sich natürlich die
  244. unterschiedlichen Darstellungsweisen bemerkbar. Wo ein 640 x 256-Bildschirm
  245. auf einem Amiga die gesamte Monitorfläche ausfüllt, belegt er auf dem
  246. PC nur etwas mehr als die obere Bildschirmhälfte. Leider ist der Emulator
  247. auch noch auf die Non-AGA- und Non-ECS-Bildschirmmodi beschränkt, so daß
  248. man hier ein wenig improvisieren, bzw. die Gegebenheiten akzeptieren muß.
  249. Der PCler ist jedenfalls begeistert, wir Amiga-User entsetzt und Andreas
  250. Mauß ärgert sich, daß er seine Amiga-Software verkauft hat...
  251.  
  252. Nachdem wir uns bestimmt eine Stunde lang mit dem "UAE" beschäftigt haben,
  253. reibt sich der Tag langsam den Schlaf aus den Augen und die Sonne läßt
  254. sich mal wieder blicken. Letztere scheint auch auf diejenigen, die sich
  255. die Nacht auf irgendwelchen Matrazen um die Ohren geschlagen haben, und
  256. die jetzt nach und nach wieder in der Weberei auftauchen. Darunter ist auch
  257. Gerd Frank, der hofft, nach der großen Flaute vom Vortag endlich Geschäfte
  258. machen zu können und zumindest Teile seines Sortimentes loszuwerden. Schön,
  259. daß es noch Leute gibt, die einen festen Glauben an etwas der Rationalität
  260. nicht zugängliches haben...
  261.  
  262. Etwas ganz anderes hat Peter Händel nun ausgepackt. Das Programm nennt sich
  263. "FIFA Soccer '96" und ist ein Arcade-Fußballspiel für PCs. Obwohl Peter
  264. selbst Fußball nichts abgewinnen kann (Zitat aus dem "Gadget"-Interview:
  265. "Meinst Du die Jungs, die erst stundenlang hinter dem Ball herlaufen und ihn
  266. dann wieder wegschießen, wenn sie ihn haben ? Ich bin dafür, daß jeder
  267. Spieler einen Ball bekommt, dann brauchen die sich nicht so anzustrengen."),
  268. scheint ihn dieses Spiel zu faszinieren. Selbst sagt er dazu nichts, denn
  269. seine ganze Aufmerksamkeit gilt dem Geschehen auf dem Bildschirm, seine Hand
  270. klebt am Joystick mindestens ebenso fest wie seine Augen an dem Bild, das
  271. die Grafikkarte in wirklich atemberaubender Qualität generiert. Natürlich
  272. hat sich am Spielprinzip selbst nichts geändert. Man übernimmt die Führung
  273. einer der beiden Mannschaften und steuert dabei immer den Spieler, der
  274. dem Ball am nächsten ist - während die anderen 10 Männchen und das
  275. gegnerische Team von Kollege Computer kontrolliert werden. Das, was "FIFA
  276. Soccer" aus der Masse der Fußballspiele heraushebt, ist vielmehr die
  277. Aufmachung - womit wieder einmal der Satz bestätigt wäre, daß das Design
  278. eben doch das Bewußtsein bestimmt. Visuell gibt es ruckelfreies Scrolling,
  279. große und dreidimensionale Spielfiguren und ständig wechselnde
  280. Kameraperspektiven inklusive diverser Kamerafahrten und Zoomeffekte zu
  281. sehen. Hier ist wirklich beinahe Fernsehqualität erreicht, der virtuelle
  282. Oliver Kahn scheint in greifbarer Nähe zu sein. Verstärkt wird dieser
  283. Heimkino-Effekt noch durch die akustische Untermalung. Neben schönen Samples
  284. bietet das Spiel nämlich noch einen "Livekommentar". Das Spielgeschehen wird
  285. unmittelbar von einer Stimme in bester Sportreporter-Manier beschrieben und
  286. kommentiert. Und wenn die künstliche Intelligenz einen blinden 30-Meter-
  287. Fehlpaß zurück in die eigenen Hälfte dann mal fälschlich begeistert mit "Was
  288. für ein gewaltiger Paß !" feiert oder die gleiche Leerfloskel ("Kein Problem
  289. für den souveränen Torhüter.") während der neunzig Minuten ein Dutzend Mal
  290. aufsagt, dann ist klar: hinter Werner Hansch, Jörg Wontorra und Gerd
  291. Rubenbauer steckt mit Sicherheit auch nur ein Intel-Prozessor. Ich für
  292. meinen Teil bin jedenfalls erschreckt darüber, wie sich jemand von Peters
  293. Intelligenz und Fähigkeiten dermaßen von solch billigem Tand fesseln läßt.
  294. Unter Anwendung von brutaler Gewalt ("Hey, laß mich mal.") gelingt es mir,
  295. ihm den Joystick zu entreißen und selbst ein Spielchen zu wagen. Ich
  296. verliere 0:1 durch ein Gegentor wenige Sekunde vor dem Schlußpfiff.
  297. Frustriert beende ich meine Begegnung mit diesem absolut primitiven Spiel
  298. und übergebe den Steuerknüppel an Guido Wegener, der sich auch mal am
  299. virtuellen Kugelkicken versuchen will.
  300.  
  301. Da der Vormittag inzwischen schon fortgeschritten ist und langsam auch ein
  302. paar Besucher den Raum durchschreiten, beschließe ich, selbst ein wenig
  303. dem Konsum zu frönen. Gerd Franks Augen leuchten voller Hoffnung auf, als
  304. ich mir an seinem Stand die angebotenen CD-ROMs ansehe. Sparsam dosiert
  305. frage ich nach Preis, Inhalt und ähnlichem, so daß Gerd ausreichenden Anlaß
  306. hat, ein Geschäft zu wittern und sich der Hoffnung hingeben kann, doch nicht
  307. mit dem gesamten Sortiment nach Bayern zurückkehren zu müssen. Doch nach gut
  308. einer Viertelstunde ausgiebiger Begutachtung, verlasse ich den Stand und den
  309. entnervt röchelnden Gerd, um mich genüßlich bei der Konkurrenz umzusehen.
  310. Leute zu demütigen, macht Spaß :) Da letztlich das bessere Angebot aber doch
  311. für den bavarischen Gerd spricht, erstehe ich für läppische 55 Märker
  312. insgesamt 5 CD-ROMs und mache einen deprimierten Händler glücklich.
  313. Dramatische Geschichte, oder ?
  314.  
  315. Bevor Gerd mir voller Dankbarkeit die Füße küssen kann, blicke ich auf
  316. die Uhr und stelle fest, daß es bereits halb zwölf geworden ist. Ich packe
  317. meine Siebensachen und verabschiede mich von den Anwesenden. Seltsamerweise
  318. habe ich die ganzen vergangen 18 Stunden nicht dermaßen glückliche Gesichter
  319. gesehen, was sicherlich nicht nur dadurch erklärt werden kann, daß in der
  320. Zwischenzeit jeder mindestens einmal an Peters Rechner gespielt und gegen
  321. den Computer gewonnen hat.
  322.  
  323. Nach der obligatorischen 10minütigen Verspätung fährt dann um Viertel nach
  324. zwölf auch schon der Zug in den Gütersloher Bahnhof ein. 340 Minuten, die
  325. ich mit zunehmender Tageszeit immer mehr in einer Art Halbschlaf verbringe,
  326. später erreiche ich wider Erwarten das heimatliche Cölbe. Neben einer
  327. gehörigen Portion Müdigkeit, 5 CD-ROMs und einer PP-Version des "HAM"-
  328. Diskettenmagazins bringe ich die Erkenntnis mit, daß Gütersloh auch in
  329. diesem Jahr wieder eine Reise wert gewesen war. Obwohl leider einige
  330. Personen nicht kommen konnten, war das Treffen doch wieder eine kurzweilige
  331. Angelegenheit gewesen, bei der man - trotz oder vielleicht gerade auch wegen
  332. der Akzentverschiebung weg vom Amiga und hin zum PC - einige interessante
  333. Neuheiten zu sehen bekam, gute alte Kontakte pflegen und so manches
  334. informative und lustige Gespräch führen konnte. Nachdem ich meine vor zwei
  335. Tagen gewaschenen und inzwischen getrockeneten Klamotten gebügelt habe,
  336. gelingt es mir gegen Mitternacht schließlich, mich nach mehreren
  337. Fehlversuchen zielsicher ins Bett zu werfen und von Gütersloh '97 zu
  338. träumen. Und manchmal werden Träume ja bekanntlich wahr...
  339.  
  340. #Pinsel gadget25:pinsel/AN rechts
  341.